Das Schicksal meiner Großmutter Elvira hat mir eindringlich vor Augen geführt, wie schnell man in eine Situation kommen kann, in der man die eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln kann. Elvira war immer eine selbstständige Frau gewesen, bis die Alzheimer-Krankheit ihre Denkfähigkeit zunehmend beeinträchtigte. Damals mussten wir als Familie einen Betreuer für sie bestellen, um sicherzustellen, dass ihre Interessen gewahrt bleiben. Dieser Prozess war nicht immer einfach, aber am Ende war es der beste Weg, um Elviras Würde und Lebensqualität zu erhalten.
Leider ist Elviras Geschichte kein Einzelfall. Laut Statistiken haben in Deutschland mittlerweile rund 1,3 Millionen Erwachsene eine gesetzliche Betreuung, da sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Insbesondere die steigende Zahl von Demenzerkrankungen infolge des demografischen Wandels ist dafür verantwortlich. Das Betreuungsrecht wurde daher 2023 reformiert, um den Willen und die Präferenzen der betreuten Personen stärker zu berücksichtigen.
Wichtige Erkenntnisse
- In Deutschland haben rund 1,3 Millionen Erwachsene eine gesetzliche Betreuung.
- Die Zahl der Betreuungen hat sich seit den 1990er-Jahren fast verdreifacht.
- Hauptgrund ist der demografische Wandel mit mehr Demenzerkrankungen.
- Das Betreuungsrecht wurde 2023 reformiert, um den Willen der Betreuten stärker einzubeziehen.
- Betreuungen können von Betroffenen selbst oder von Dritten beantragt werden.
Grundlagen der rechtlichen Betreuung
Die rechtliche Betreuung, auch als gesetzliche Betreuung bekannt, ist ein wichtiges Instrument, um Menschen mit Krankheit oder Behinderung zu unterstützen. Seit der letzten umfassenden Reform des Betreuungsrechts im Jahr 2023 stehen dabei die Selbstbestimmungsrechte der betreuten Personen noch stärker im Fokus.
Definition und rechtliche Grundlagen
Rechtliche Betreuung bedeutet, dass ein Betreuer oder eine Betreuerin die Angelegenheiten einer erwachsenen Person ganz oder teilweise regelt, wenn diese sich aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht selbst darum kümmern kann. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) legt die rechtlichen Grundlagen für die Betreuung fest.
Unterschied zur Vormundschaft
Im Gegensatz zur Vormundschaft, die bei Minderjährigen greift, richtet sich die rechtliche Betreuung ausschließlich an volljährige Personen. Außerdem entzieht die Betreuung der betreuten Person nicht die gesamte Geschäftsfähigkeit, sondern regelt lediglich die Bereiche, in denen Unterstützung benötigt wird.
Aktuelle Gesetzesänderungen 2024
Mit der Betreuungsrechtsreform 2023 wurden weitere Verbesserungen umgesetzt, um die Selbstbestimmung der betreuten Personen zu stärken. Dazu gehört unter anderem ein verpflichtendes Zulassungs- und Registrierungsverfahren für Berufsbetreuer*innen mit Sachkundenachweis. Auch regelmäßige Überprüfungen der Betreuungen und die Möglichkeit, diese jederzeit auf Antrag anzupassen, sind Teil der Neuerungen.
Wer kann Betreuung beantragen
Eine Betreuungsantrag stellen können Menschen auf unterschiedliche Weise – sowohl für sich selbst als auch für andere. Betroffene können eine Betreuung für sich selbst beantragen, wenn sie aufgrund einer psychischen oder körperlichen Erkrankung ihre Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln können. Darüber hinaus können Anregung zur Betreuung auch von Dritten, wie Familienangehörigen, Bekannten oder Behörden, erfolgen.
Gegen den ausdrücklichen Willen einer volljährigen Person kann in der Regel keine Betreuung eingerichtet werden. Allerdings gibt es Ausnahmefälle, in denen eine Betreuung zum Schutz der betroffenen Person auch ohne deren Zustimmung möglich ist. Der Antrag wird in jedem Fall beim zuständigen Betreuungsgericht gestellt.
- Betroffene können selbst einen Betreuungsantrag stellen, wenn sie ihre Angelegenheiten aufgrund einer Erkrankung nicht mehr selbstständig regeln können.
- Angehörige, Bekannte oder Behörden können eine Anregung zur Betreuung beim Gericht einreichen.
- Eine Betreuung gegen den ausdrücklichen Willen einer volljährigen Person ist in der Regel nicht möglich, es sei denn, es liegt ein Ausnahmefall zum Schutz der Person vor.
- Der Antrag wird vom Betreuungsgericht bearbeitet und geprüft, ob eine Betreuung notwendig ist.
Durch diese vielfältigen Möglichkeiten, eine rechtliche Betreuung zu beantragen oder anzuregen, kann sichergestellt werden, dass Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln können, die notwendige Unterstützung erhalten.
Voraussetzungen für eine rechtliche Betreuung
Für eine rechtliche Betreuung müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen müssen medizinische Gründe vorliegen, aufgrund derer die betroffene Person ihre Angelegenheiten nicht mehr selbstständig regeln kann. Zum anderen muss die Betreuung auch rechtlich erforderlich sein, um die Interessen der Person zu schützen.
Medizinische Voraussetzungen
Eine rechtliche Betreuung kommt infrage, wenn eine Krankheit oder Behinderung die Fähigkeit der betroffenen Person einschränkt, ihre Angelegenheiten selbstständig zu regeln. Dazu zählen beispielsweise psychische Erkrankungen, Demenz, Suchtprobleme oder geistige Beeinträchtigungen. Ein fachärztliches Gutachten muss die Notwendigkeit der Betreuung bescheinigen.
Rechtliche Voraussetzungen
Neben den medizinischen Gründen muss auch die rechtliche Erforderlichkeit der Betreuung gegeben sein. Das bedeutet, dass die betroffene Person aufgrund ihrer Erkrankung oder Behinderung nicht in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbstständig zu regeln und somit Gefahr läuft, sich oder ihr Vermögen zu schädigen.
Ausschlusskriterien
- Die Betreuung darf nicht gegen den freien Willen der betroffenen Person eingerichtet werden.
- Bei körperlichen Behinderungen ist ein Antrag der betroffenen Person erforderlich, es sei denn, sie kann ihren Willen nicht äußern.
Insgesamt müssen die Betreuungsvoraussetzungen und die Erforderlichkeit der Betreuung sorgfältig geprüft werden, bevor das Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuung anordnet.
Das Antragsverfahren beim Betreuungsgericht
Wenn eine Person aufgrund körperlicher, geistiger oder seelischer Erkrankung ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, kann ein Betreuungsverfahren beim zuständigen Betreuungsgericht eingeleitet werden. Dieses Gericht prüft sorgfältig, ob die Voraussetzungen für eine gesetzliche Betreuung erfüllt sind.
Im Rahmen des Betreuungsverfahrens führt das Gericht persönliche Gespräche mit der betroffenen Person, hört sie an und zieht gegebenenfalls medizinische Sachverständige hinzu. Dabei werden die Lebensumstände, der Wille der Person und mögliche Alternativen zur Betreuung berücksichtigt. Basierend darauf entscheidet das Gericht über den Umfang der Betreuung und bestimmt einen geeigneten Betreuer.
Die Bearbeitung eines Betreuungsantrags kann mehrere Wochen bis Monate in Anspruch nehmen. In Eilfällen kann jedoch auch eine vorläufige Betreuung für zunächst sechs Monate angeordnet werden, um schnell Hilfe zu gewährleisten.
Ablauf des Betreuungsverfahrens
- Einreichung des Betreuungsantrags beim zuständigen Betreuungsgericht
- Persönliche Anhörung der betroffenen Person durch das Gericht
- Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Prüfung der Betreuungsbedürftigkeit
- Entscheidung des Gerichts über die Notwendigkeit und den Umfang der Betreuung
- Auswahl und Bestellung eines geeigneten Betreuers
Das Betreuungsgericht strebt in der Regel an, eine Einzelperson als Betreuer zu bestellen, da diese die persönlichen Wünsche und Vorstellungen der betroffenen Person am besten berücksichtigen kann. Nur in Ausnahmefällen werden Vereine oder Behörden als Betreuer eingesetzt.
Weitere Informationen zum Betreuungsverfahren finden Sie in der kostenlosen Informationsbroschüre „Das Betreuungsrecht“.
Aufgabenbereiche der rechtlichen Betreuung
Der Aufgabenkreis eines Betreuers wird vom Betreuungsgericht genau festgelegt und kann verschiedene Bereiche umfassen. Dazu gehören oft die Vermögenssorge, die Gesundheitssorge sowie die Bestimmung des Aufenthalts der betreuten Person.
Vermögenssorge
Der Betreuer übernimmt in diesem Bereich finanzielle Aufgaben wie das Führen von Konten, das Stellen von Leistungsanträgen und das Prüfen von Kosten. Er vertritt die betreute Person gerichtlich und außergerichtlich in Vermögensangelegenheiten.
Gesundheitssorge
Der Betreuer entscheidet hier über Fragen der Krankenversicherung, Arzt- und Krankenhauswahl, Behandlungen und Medikation. Er muss das Wohl und die Wünsche der betreuten Person berücksichtigen.
Aufenthaltsbestimmung
Der Betreuer trifft Entscheidungen zur Wohnsituation der betreuten Person, einschließlich der Wohnungssuche und Mietzahlungen. Freiheitsentziehende Maßnahmen bedürfen einer ausdrücklichen gerichtlichen Genehmigung.
Der Aufgabenkreis des Betreuers und der Betreuungsumfang werden vom Gericht im Einzelfall bestimmt, um die Selbstbestimmung der betreuten Person so weit wie möglich zu erhalten.
Rechte und Pflichten des Betreuers
Als gesetzlicher Betreuer haben Personen spezifische Aufgaben und Verantwortungen, um das Wohl der betreuten Person bestmöglich zu gewährleisten. Ab dem 1. Januar 2024 sind die Betreueraufgaben und Betreuerpflichten durch das Betreuungsrecht klar definiert.
Betreuer müssen die Wünsche und Präferenzen der betreuten Person berücksichtigen und umsetzen, soweit dies möglich und zumutbar ist. Sie sind zu regelmäßigen Besprechungen und persönlichem Kontakt verpflichtet, um den Gesundheitszustand und die Lebenssituation der betreuten Person zu überwachen.
Für bestimmte Entscheidungen, wie beispielsweise medizinische Eingriffe oder Kündigungen der Wohnung, ist eine gerichtliche Genehmigung durch das Betreuungsgericht erforderlich. Betreuer haben außerdem einen Rehabilitationsauftrag und müssen die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der betreuten Person soweit wie möglich fördern.
Zu den Pflichten des Betreuers gehört es, regelmäßig Bericht über die Tätigkeiten und den Zustand der betreuten Person an das Betreuungsgericht zu erstatten. Diese Informationen müssen schriftlich oder in persönlichen Gesprächen übermittelt werden.
Die Rechtsgrundlagen für die Aufgaben und Pflichten des Betreuers finden sich in den Paragrafen 1823, 53 und 1821 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Das Betreuungsgericht bestellt den Betreuer für spezifische Aufgabenbereiche, nicht mehr für alle Angelegenheiten der betreuten Person.
Insgesamt liegt der Fokus der Betreueraufgaben darauf, das Wohlergehen und die Selbstbestimmung der betreuten Person bestmöglich zu unterstützen und ihre Interessen zu vertreten.
Alternativen zur rechtlichen Betreuung
Anstelle einer rechtlichen Betreuung gibt es verschiedene Möglichkeiten, um die eigenen Angelegenheiten selbstständig zu regeln. Dazu gehören die Vorsorgevollmacht, die Betreuungsverfügung und die Patientenverfügung. Diese Instrumente können eine Betreuung vermeiden oder deren Umfang einschränken.
Vorsorgevollmacht
Mit einer Vorsorgevollmacht kann eine Vertrauensperson bevollmächtigt werden, im Falle der eigenen Handlungsunfähigkeit die rechtlichen Angelegenheiten zu regeln. Dies kann die Vermögenssorge, Gesundheitssorge oder andere Bereiche umfassen. Die Vorsorgevollmacht gibt der bevollmächtigten Person weitreichende Befugnisse und vermeidet so eine gerichtliche Bestellung eines Betreuers.
Betreuungsverfügung
In einer Betreuungsverfügung kann man selbst festlegen, wer im Falle der Handlungsunfähigkeit als Betreuer bestellt werden soll. Damit kann man Einfluss auf die Auswahl des Betreuers nehmen und sicherstellen, dass eine Person das Mandat übernimmt, der man vertraut.
Patientenverfügung
Die Patientenverfügung regelt im Voraus, welche medizinischen Maßnahmen im Falle der Einwilligungsunfähigkeit gewünscht oder abgelehnt werden. Sie gibt dem behandelnden Arzt verbindliche Anweisungen und erspart so eine Entscheidung durch den Betreuer.
Diese Alternativen zur rechtlichen Betreuung ermöglichen es, die eigenen Angelegenheiten selbstbestimmt und ohne gerichtliche Beteiligung zu regeln. Sie stärken die Autonomie und bieten mehr Kontrolle über die Zukunftsvorsorge.
Kosten und Finanzierung der Betreuung
Die Kosten für eine rechtliche Betreuung können je nach Vermögenssituation der betreuten Person variieren. Grundsätzlich müssen Personen mit einem Vermögen von über 25.000 Euro nach Abzug von Verbindlichkeiten die gerichtlichen Gebühren selbst tragen. Für eine dauerhafte Betreuung fällt eine jährliche Gebühr von mindestens 200 Euro, maximal 300 Euro ohne Vermögenssorge, an.
Ein beruflich bestellter Betreuer erhält Pauschalen, die von Faktoren wie Dauer der Betreuung, Aufenthaltsort des Betreuten und Vermögensstatus abhängen. Ehrenamtliche Betreuer können bei Nichtmittellosigkeit eine angemessene Vergütung und eine jährliche Aufwandspauschale von 425 Euro erhalten.
Bei Mittellosigkeit der betreuten Person übernimmt die Staatskasse die Kosten der Betreuung. Betreuungsbehörden, Betreuungsvereine und Rechtspfleger am Betreuungsgericht können bei Fragen zur Finanzierung weiterhelfen.
- Gerichtliche Gebühren fallen nur an, wenn das Vermögen der betreuten Person über 25.000 Euro liegt.
- Berufsbetreuer erhalten Vergütungspauschalen, Ehrenamtliche können eine Aufwandsentschädigung von 425 Euro pro Jahr bekommen.
- Bei Mittellosigkeit übernimmt die Staatskasse die Kosten der Betreuung.
Die Betreuungskosten und die Finanzierung der Betreuung sind somit stark von der individuellen Vermögens- und Einkommenssituation der betreuten Person abhängig. Professionelle Beratung kann hier weitere Klarheit schaffen.
Fazit
Die rechtliche Betreuung ist ein wichtiges Instrument zum Schutz und zur Unterstützung von Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Das reformierte Betreuungsrecht, das seit Januar 2023 in Kraft ist, stärkt die Selbstbestimmung der betreuten Personen, indem es deren Willen bei Entscheidungen in den Mittelpunkt stellt.
Eine sorgfältige Prüfung der Voraussetzungen und möglichen Alternativen wie Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung ist wichtig, um die bestmögliche Lösung für die betroffene Person zu finden. Dabei spielen nicht nur medizinische, sondern auch rechtliche Aspekte eine Rolle.
Das reformierte Betreuungsrecht bietet einen umfassenden Schutz und Unterstützung für Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Gleichzeitig stärkt es ihre Selbstbestimmung, sodass die rechtliche Betreuung im Sinne der Betroffenen erfolgt. Dieser Ansatz ist ein wichtiger Schritt, um die Rechte und Würde schutzbedürftiger Menschen zu wahren.
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