Wann ist ein Mann ein Mann?

Das Narrativ von Holzfällern, die niemals Schmuck tragen, beginnt zu bröckeln.

Eine alte Schreibmaschine mit einem Blatt Papier, auf dem 'GENDER ROLES' geschrieben steht.

Ein Mann, groß wie ein Baum und stark wie eine Eiche. Kräftige Oberarme durch intensive körperliche Arbeit, natürlicher Schweißgeruch und eine gewisse Körperbehaarung – skizziert sich dieses Bild beim Wort „Mann“ im Kopf?

Glaubt man Umfragen, sehnen sich viele Frauen tatsächlich nach diesen starken „männlichen“ Attributen. Ist diese Rollendenkweise längst überholt? Cristiano Ronaldo und andere Sportidole machen mit Understatement klar: Ja, ist es, denn Männlichkeit ist mehr als Kraft, sondern beginnt schon im Kopf.

Männlichkeit im Krisenmodus: Der pinke Elefant steht mitten im Raum

Er ist nicht zu übersehen: der Elefant in Pink. Statt furchteinflößend und kraftvoll, wirkt er irgendwie niedlich und zutraulich. Genau so könnte das Narrativ der heutigen Männlichkeit aussehen. Um Fragen des Goethe Institutes und anderer Einrichtungen zeigen, dass sich die klassischen Rollen in der Gesellschaft immer weiter verschieben.

Der Blick auf Werbespots aus den sechziger und siebziger Jahren zeigt eindrucksvoll, wer das starke Geschlecht ist. Ein bekannter Kaffeeröster präsentierte die fleißigen Hausfrauen im perfekt gestylten Look, die nur darauf warteten, ihren starken Mann nach dem anstrengenden Arbeitstag mit einer Tasse Kaffee gewöhnen zu können.

Damals. Ja, da waren Männer noch die echten Kerle, die Arbeiter, die Ernährer der Familie. Sie wussten immer, was zu tun ist. Auf die Familienoberhäupter konnte man sich eben verlassen, in jeder noch so schlimmen Krisensituation. Wer hat seinen Vater oder Großvater schon jemals im Alltag weinen sehen? Für die Beantwortung der Frage muss die gedankliche Reise womöglich viele Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte zurückgehen.

Ein Symbol der Männlichkeit wird weicher: König Fußball macht aus harten Jungs sanfte Kerle

Und heute? Heute hat sich daran schon einiges geändert. Männer weinen sogar in der Öffentlichkeit und scheuen sich ihre Tränen nicht. Das beste Beispiel sind die Fußballplätze dieser Welt. So vergoss der brasilianische Fußballgott Neymar ungehemmt immer wieder bittere Tränen vor einem Millionen-Publikum und schämt sich dafür nicht. Nach dem WM-Aus 2022 ließ er seinen Emotionen freien Lauf und die ganze Welt schaute zu.

Beim Wunder von Bern gab es statt Tränen vor allem Freudentaumel und großes (männliches) Geschrei der erfolgreichen deutschen Mannschaft. Am 4. Juli schafften es Helmut Rahn, Fritz Walter und andere Fußball-Legenden, im Finale das erste Fußballturnier nach Ende des Zweiten Weltkrieges zu gewinnen. Freudentaumel ja, Tränen sah man damals zumindest bei den Fußballern und männlichen Anhängern kaum.

Heute wollte König Fußball deutlich emotionaler über den Platz, bei Fans und Spielern gleichermaßen. Auch die Mitglieder der Nationalmannschaft machen heute keinen hier mehr aus ihren Tränen und stehen damit sinnbildlich für eine neue Form der Sensibilität gepaart mit Maskulinität.

Fußballgrößen wie Ronaldo und Co. tragen immer häufiger mindestens eine Goldkette für Herren kaufen und avancieren sogar zu Styling-Vorbildern. Sie haben eigene Schuh- und Bekleidungs-Kollektionen, entwickeln eigene Düfte oder sind Vorbilder für gesunde Ernährung und einen ausgewogenen Lebensstil. Ja, das Narrativ des Holzfäller-Mannes ohne Tränen und mit hartnäckigem Schweißgeruch ist längst überholt.

Reden ist Silber, Schweigen ist noch immer Gold: Männer von heute tun sich schwer beim Sprechen über Emotionen

Was ich Frauen von Männern wünschen: reden. Geht es nach dem weiblichen Geschlecht, sollen Männer nicht nur die starke Schulter zum Anlehnen bieten, sondern auch in Sachen Kommunikation mit ihnen auf Augenhöhe sein. Doch Wunsch und Realität gehen trotz verändertem Männlichkeitsverständnis noch immer weit auseinander. Umfragen auf Dating-Plattformen zeigen, dass viele Männer selbst gar keine Intention haben und sich schwertun, über ihre Beziehungsprobleme zu sprechen.

Wer nicht ausspricht, was ihn bedrückt, erfährt häufig gar keine bzw. die falsche Unterstützung. Auch ein großer rosaroter Elefant, der nach wie vor unweigerlich im männlichen Kosmos steht und sich partout nicht von der Stelle bewegen lässt.

Bild von Markus Winkler auf Pixabay

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