Für viele Menschen mit Behinderungen ist die Eingliederungshilfe eine unverzichtbare Unterstützung, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Doch wer hat eigentlich Anspruch darauf und wie kann man sie beantragen? In diesem Infoportal erfahren Sie alles Wichtige rund um die Eingliederungshilfe.
Wichtige Erkenntnisse auf einen Blick
- Eingliederungshilfe können Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder von Behinderung bedrohte Personen beantragen
- Die Leistungen umfassen Unterstützung in Bereichen wie Wohnen, Bildung, Arbeit und soziale Teilhabe
- Seit 2020 ist die Eingliederungshilfe im SGB IX geregelt und nicht mehr Teil der Sozialhilfe
- Der Anspruch richtet sich nach dem Grad der Beeinträchtigung, nicht dem gemessenen IQ
- Beratungsmöglichkeiten zur Eingliederungshilfe gibt es bei Behörden und Leistungsanbietern
Grundlegendes zur Eingliederungshilfe nach SGB IX
Die Eingliederungshilfe ist im Neunten Sozialgesetzbuch (SGB IX) verankert und zielt darauf ab, Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen. Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG), das 2020 in Kraft trat, wurden wichtige Änderungen eingeführt, darunter die Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen.
Definition und rechtliche Grundlagen
Die Eingliederungshilfe-Leistungen umfassen medizinische Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Teilhabe an Bildung und soziale Teilhabe gemäß den Paragrafen 109 bis 116 des SGB IX. Diese Leistungen sollen Menschen mit Behinderung dabei unterstützen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.
Bedeutung für Menschen mit Behinderung
Für Menschen mit Behinderung sind die Eingliederungshilfe-Leistungen von großer Bedeutung. Sie erhalten dadurch Unterstützung in verschiedenen Lebensbereichen, wie z.B. bei der Wohnungssuche, bei der Arbeitsplatzsuche oder bei der Bewältigung des Alltags. Darüber hinaus haben Menschen mit Behinderung ein Recht darauf, eine Vertrauensperson zur Unterstützung und Beratung mitzunehmen.
Aktuelle Änderungen durch das BTHG
Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) wurden 2020 wesentliche Änderungen in Bezug auf die Eingliederungshilfe-Leistungen eingeführt. Dazu gehört die Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen sowie eine Einschränkung der Einkommens- und Vermögensheranziehung. Zudem können die Leistungen der Eingliederungshilfe auch als Persönliches Budget erbracht werden, wodurch Menschen mit Behinderungen selbst über ihre benötigten Unterstützungsleistungen entscheiden können.
Wer kann Eingliederungshilfe beantragen
Das Recht der Eingliederungshilfe wurde durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) zum 1. Januar 2020 in weiten Teilen neu geregelt. Eine wesentliche Änderung betrifft die Trennung der Fachleistung der Eingliederungshilfe von den existenzsichernden Leistungen. Anspruchsberechtigt sind seitdem Menschen mit wesentlicher Behinderung oder von Behinderung bedrohte Personen, deren gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt ist.
Bei der Beurteilung der Anspruchsberechtigung wird neben der Beeinträchtigung auch der Einfluss von Umweltfaktoren berücksichtigt. In der Praxis wird für eine geistige Behinderung oft ein IQ unter 50 als Indikator für eine wesentliche Beeinträchtigung herangezogen.
Der Antrag auf Eingliederungshilfe kann bei verschiedenen Rehabilitationsträgern wie dem Landschaftsverband, der Krankenkasse, der Agentur für Arbeit oder der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt werden. Nach Einreichung der erforderlichen Unterlagen erfolgt eine Prüfung der Voraussetzungen, bevor über den Anspruch auf Eingliederungshilfe entschieden wird.
Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen ein breites Spektrum, wie zum Beispiel:
- Assistenz im Alltag und beim Wohnen
- Förderung der sozialen Teilhabe
- Unterstützung bei Bildung und Beruf
- Medizinische Rehabilitation und Frühförderung
Das Eingliederungshilfeverfahren ist in den Paragrafen 99 und 102 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) geregelt. Weitere Details zu den Voraussetzungen, Leistungsarten und dem Antragsverfahren sind über die zuständigen Behörden und Ministerien erhältlich.
Voraussetzungen für den Erhalt von Eingliederungshilfe
Der Anspruch auf Eingliederungshilfe setzt eine wesentliche Behinderung als Grundvoraussetzung voraus. Dies bedeutet, dass die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft für den Menschen mit Behinderung erheblich eingeschränkt sein muss. Dabei spielt nicht nur die Art der Beeinträchtigung eine Rolle, sondern auch, wie lange diese voraussichtlich andauern wird.
Wesentliche Behinderung als Grundvoraussetzung
In der Praxis wird bei einem IQ von unter 50 in der Regel von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Teilhabemöglichkeiten und damit einer wesentlichen geistigen Behinderung ausgegangen. Die Neuregelung der Eingliederungshilfe-Verordnung, die für 2024 geplant ist, wird den leistungsberechtigten Personenkreis genauer definieren.
Zeitliche Komponenten der Anspruchsberechtigung
- Die Beeinträchtigung und die daraus resultierenden Teilhabeeinschränkungen müssen voraussichtlich länger als sechs Monate andauern.
- Ein Rechtsanspruch auf Eingliederungshilfe besteht, solange die Ziele der Hilfe noch nicht erreicht sind und die Aussicht besteht, dass sie erreicht werden können.
Der Eingliederungshilfe Sozialamt, der Rehabilitationsträger und der Sozialhilfeträger prüfen im Einzelfall, ob die Voraussetzungen für den Erhalt von Eingliederungshilfe erfüllt sind.
Leistungsarten der Eingliederungshilfe
Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen ein umfangreiches Spektrum, das Menschen mit Behinderung dabei unterstützt, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Diese Eingliederungshilfe-Leistungen lassen sich in vier Hauptbereiche einteilen:
- Soziale Teilhabe: Hierzu gehören Assistenzleistungen im Alltag sowie Unterstützung beim Wohnen.
- Teilhabe an Bildung: Dazu zählen Schulbegleitung und Ausbildungsunterstützung.
- Teilhabe am Arbeitsleben: Zum Beispiel Leistungen in Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder das sogenannte Budget für Arbeit.
- Medizinische Rehabilitation: Etwa Angebote der Frühförderung.
Seit der Neuausrichtung des Rechts der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) im Jahr 2020 gibt es auch die Möglichkeit, Leistungen aus diesen vier Bereichen unter bestimmten Voraussetzungen zu „poolen“ und flexibler zu gestalten.
Unabhängig von der Leistungsart steht bei der Eingliederungshilfe die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft im Vordergrund.
Soziale Teilhabe als Kernaspekt der Eingliederungshilfe
Die Eingliederungshilfe-Leistungen haben einen klaren Fokus auf die soziale Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Hierbei spielen zwei zentrale Bereiche eine wichtige Rolle: Assistenzleistungen im Alltag und die Unterstützung beim Wohnen.
Assistenzleistungen im Alltag
Durch die Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX können Menschen mit Behinderung Unterstützung in ihrer Selbstständigkeit und Unabhängigkeit im Alltag erhalten. Seit 2020 besteht sogar die Möglichkeit, diese Leistungen unter Berücksichtigung individueller Bedarfe und Zumutbarkeiten gemeinsam mit anderen Leistungsberechtigten in Anspruch zu nehmen.
Unterstützung beim Wohnen
Ein weiterer Kernaspekt der Eingliederungshilfe-Leistungen ist die Unterstützung beim Wohnen. Hierbei geht es darum, Menschen mit Behinderung dabei zu unterstützen, selbstständig in einer eigenen Wohnung oder in einer betreuten Wohnform leben zu können. Die Wohnunterstützung umfasst beispielsweise Hilfen bei der Wohnungssuche, der Einrichtung und der Organisation des Haushalts.
Insgesamt stehen bei den Eingliederungshilfe-Leistungen also die Assistenzleistungen und die Wohnunterstützung im Fokus, um die soziale Teilhabe von Menschen mit Behinderung zu fördern.
Medizinische Rehabilitation und Frühförderung
Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehören insbesondere die Frühförderung für Kinder bis zur Einschulung sowie die Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln. Die Frühförderung ist oft die erste Eingliederungshilfe-Leistung, die ein Kind mit Behinderung erhält, und zielt darauf ab, das Kind und seine Familie so früh wie möglich und bestmöglich zu unterstützen.
Die Komplexleistung Frühförderung umfasst medizinische, sozialpädiatrische, psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen sowie die Beratung der Erziehungsberechtigten. Diese Förder-, Therapie- und Beratungsangebote sollen interdisziplinär aufeinander abgestimmt sein.
Träger der Eingliederungshilfe und weitere Rehabilitationsträger haben gemeinsam Landesrahmenvereinbarungen mit Leistungserbringerverbänden ausgehandelt, die Anforderungen an interdisziplinäre Frühförderstellen, Dokumentation, Qualitätssicherung, Ort der Leistungserbringung und Entgelte regeln.
Der Umfang und die Erbringung von Frühförderungsleistungen können je nach Bundesland variieren, da die Rahmenbedingungen unterschiedlich sein können.
Teilhabe an Bildung und Beruf
Die Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nicht nur die Unterstützung im Alltag, sondern auch die Förderung der Teilhabe an Bildung und Beruf. Hierzu gehören vielfältige Angebote, die Menschen mit Behinderungen dabei helfen, ihren Bildungsweg und ihre berufliche Entwicklung erfolgreich zu gestalten.
Schulbegleitung und Ausbildungsunterstützung
Ein wichtiger Bestandteil der Eingliederungshilfe-Leistungen ist die Schulbegleitung. Hier erhalten Kinder und Jugendliche mit Behinderungen individuelle Unterstützung, um am Unterricht und am Schulleben teilnehmen zu können. Auch in der Ausbildung oder im Studium können sie auf Assistenz- und Unterstützungsleistungen zurückgreifen.
Budget für Arbeit und Ausbildung
Darüber hinaus bietet das Budget für Arbeit und Ausbildung Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung außerhalb von Werkstätten für behinderte Menschen aufzunehmen. Das Budget kann je nach Voraussetzungen vom Eingliederungshilfeträger oder der Bundesagentur für Arbeit erbracht werden.
Insgesamt tragen diese Leistungen zur Eingliederungshilfe-Leistungen dazu bei, dass Menschen mit Behinderungen ihre Potenziale im Bildungs- und Arbeitsbereich bestmöglich entfalten können und so eine selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erreichen.
Kostenbeteiligung und Einkommensgrenzen
Bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX kann eine Kostenbeteiligung je nach Einkommen des Antragstellers erforderlich sein. Allerdings gibt es hierbei wichtige Ausnahmen und Besonderheiten zu berücksichtigen.
Die Einkommensgrenzen, ab denen eine Kostenbeteiligung erfolgen muss, liegen im Jahr 2024 bei:
- Renteneinkünfte: 25.452 Euro jährlich
- Einkünfte aus nicht sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung: 31.815 Euro jährlich
- Einkünfte aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung: 36.057 Euro jährlich
Der monatliche Eigenbeitrag beträgt 2% des Einkommens, das die jeweilige Grenze übersteigt, abgerundet auf volle 10 Euro. Dabei wird das Einkommen des Partners oder der Partnerin sowie Vermögen nicht berücksichtigt.
Bestimmte Leistungen wie Teilhabe an Bildung und Beruf sind von der Kostenbeteiligung ausgenommen. Auch Empfänger von Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt müssen keine Eigenbeiträge leisten. Die Vermögensgrenze liegt 2024 bei 63.630 Euro.
Bei Unklarheiten oder Fragen empfiehlt es sich, sich beim zuständigen Eingliederungshilfeträger oder durch eine unabhängige Beratungsstelle informieren zu lassen.
Antragsstellung und zuständige Behörden
Der Antrag auf Eingliederungshilfe muss schriftlich gestellt werden. In manchen Bundesländern, wie Nordrhein-Westfalen, ist auch eine Online-Antragstellung möglich. Bevor der Antrag eingereicht wird, empfiehlt sich eine Beratung, zum Beispiel durch die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB). Die Zuständigkeit für den Eingliederungshilfe-Antrag hängt vom jeweiligen Bundesland ab.
Bundeslandspezifische Zuständigkeiten
In einigen Bundesländern sind Landkreise und kreisfreie Städte für den Eingliederungshilfe-Antrag zuständig, in anderen Bezirke oder Landesämter. Für Personen, die zuvor in Berlin lebten und nun außerhalb der Stadt Unterstützung benötigen, ist das Landesamt für Gesundheit und Soziales zuständig. Generell sollte man sich beim zuständigen Amt für Soziales im eigenen Wohnbezirk informieren.
- In einigen Bundesländern sind Landkreise und kreisfreie Städte zuständig
- In anderen Bundesländern sind Bezirke oder Landesämter zuständig
- Für ehemalige Berliner ist das Landesamt für Gesundheit und Soziales zuständig
- Das zuständige Amt für Soziales im Wohnbezirk kann Auskunft geben
Die Behörde muss innerhalb von 2 Wochen feststellen, ob sie für einen Antrag zuständig ist. Andernfalls muss sie den Antrag unverzüglich an die richtige Stelle weiterleiten. Die Bearbeitungsdauer des Eingliederungshilfe-Antrags hängt von verschiedenen Faktoren ab, jedoch sind bestimmte Zeitspannen für die Bearbeitung gesetzlich festgelegt, je nach Notwendigkeit eines Gutachtens.
Das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten
Das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten ist in § 104 des Sozialgesetzbuches IX (SGB IX) verankert. Dieses Recht besagt, dass die Vorstellungen und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung bei der Ausgestaltung der Leistungen berücksichtigt werden sollen. Wenn mehrere geeignete Leistungsalternativen zur Verfügung stehen, muss den Wünschen der Leistungsberechtigten entsprochen werden, sofern diese angemessen sind.
Bei der Prüfung der Angemessenheit werden Kriterien wie die Zumutbarkeit für den Leistungsberechtigten und die Wirtschaftlichkeit der gewünschten Leistung berücksichtigt. Somit wird sichergestellt, dass die individuellen Bedürfnisse und Vorstellungen der Menschen mit Behinderung im Rahmen der Eingliederungshilfe bestmöglich umgesetzt werden können.
Diese Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Leistungsberechtigten ist ein zentraler Bestandteil der Eingliederungshilfe-Reform durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG), welche im Jahr 2020 in Kraft getreten ist. Bis 2024 ist eine Neufassung der Eingliederungshilfe-Verordnung geplant, die diese Rechte der Leistungsberechtigten weiter konkretisieren soll.
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